Ärztliche Unterversorgung auf dem Land – der Fehler liegt im System. Dieser Überzeugung ist nicht nur Landrat Michael Fahmüller, sondern auch die ansässigen Ärztinnen und Ärzte, wie das Treffen im Simbacher Rathaus vor einigen Tagen deutlich gezeigt hat. Als Konsequenz daraus hat Landrat Michael Fahmüller nun einen Brandbrief an Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung Bettina Stark-Watzinger und den Bayerischen Staatsminister für Wissenschaft und Kunst Markus Blume geschrieben. Denn die Problematik liegt, wie Fahmüller in seinem Brief darlegt, nicht nur im Gesundheitssystem, sondern bereits in der Ausbildung junger Ärzte: zu wenig Medizinstudienplätze, ein überbewerteter Numerus Clausus, eine Unterbewertung des Berufs des Hausarztes bereits im Medizinstudium sowie die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf für den extrem hohen Anteil an Frauen im Arztberuf.
Landrat Fahmüller fordert die zuständigen Minister daher eindringlich auf, sich dieser Problematik anzunehmen und die Rahmenbedingungen für den Arztberuf grundlegend zu reformieren.
Inhalt der Brandbriefe an Frau Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger und Herrn Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Markus Blume:
Sehr geehrte Frau Bundesministerin Stark-Watzinger, sehr geehrter Herr Staatsminister Blume,
die ärztliche Versorgung, insbesondere die hausärztliche Versorgung der Bürgerinnen und Bürger ist eine unverzichtbare Säule unseres gesellschaftlichen Lebens, unseres Wohlstands und unserer Sicherheit – das wissen wir nicht erst seit gestern, doch spätestens mit der Corona-Pandemie sollte sich diese Tatsache auch in alle Teil der Republik durchgesprochen haben.
Während in Berlin, München und anderen Ballungsregionen wohl genügend Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung stehen dürften, ist gerade im ländlichen Raum die Versorgung bei weitem nicht mehr gewährleistet, und dies ist eine alarmierende Entwicklung. Viele Bürgerinnen und Bürger in den ländlichen Regionen gewinnen hier zunehmend den Eindruck, als habe man bei der Regierung den ländlichen Raum in dieser Frage mittlerweile völlig vergessen.
So ist beispielsweise der südliche Landkreis Rottal-Inn bereits unterversorgt, was nun endlich – wenn auch mit starker Verzögerung – auch durch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns offiziell festgestellt wurde. Eine Lösung ist dennoch nicht in Sicht. Zwar leisten wir als Landkreis was in unserer Macht steht, um zumindest eine Grundversorgung aufrecht zu erhalten – beispielsweise durch die Einrichtung Medizinischer Versorgungszentren an unseren Kliniken – doch dies löst die Probleme nicht, vor allem nicht langfristig.
Gefragt ist hier die Bundes- und Landespolitik, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, dies ist auch die einhellige Meinung unserer ansässigen Haus- und Fachärzte. Denn die Probleme sind vor allem auf die universitäre Ausbildung junger Ärztinnen und Ärzte zurückzuführen – und somit auf Ihren Verantwortungsbereich, Herr Minister:
Es gibt zu wenig Medizinstudienplätze. Die existenten Studienplätze werden in zu hohem Maße aufgrund des Numerus Clausus vergeben. Die Erkenntnis, dass ein guter und insbesondere am Wohl des Patienten interessierter Arzt nicht unbedingt ein 1,0-Abitur braucht, hat sich offenbar noch nicht bis in die Universitäten und in die Regierung durchgesprochen!
Das Resultat: Viele karriereorientierte junge Ärzte wählen den Weg als Fachärzte in die großen Kliniken, diejenigen, die sich als Hausärzte niederlassen, wählen als Wirkungsort die Ballungszentren mit ihrem hohen Anteil an Privatpatienten, um mehr Geld zu verdienen. Die fragwürdige Entwicklung bezüglich der Abrechnungsmöglichkeiten für Hausärzte – die eine eigene Diskussion wert wäre – verschlimmert die Lage des ländlichen Raums, in dem sich der Anteil der Privatpatienten auf um die 7% beläuft, noch weiter.
Das bedeutet im Klartext: Die immer weniger werdenden Hausärzte auf dem Land müssen für immer weniger Geld immer mehr Patienten betreuen und mehr Arbeit leisten. Die Konsequenz: Immer mehr geben ihre Praxis vorzeitig auf und Nachfolger sind nicht in Sicht. Dabei gäbe es im ländlichen Raum genügend junge Menschen, die gerne Ärztinnen und Ärzte werden und sich in ihrer Heimat niederlassen würden – doch diese scheitern dann daran, dass sie im Abitur „nur“ einen Schnitt von 1,2 haben – um es überspitzt zu formulieren: Eine schlechte Note in Kunst, Sport und Musik verhindert unter Umständen, dass wir dringend benötigte Ärzte auf dem Land bekommen. Das ist, mit Verlaub, eine mehr als lächerliche Vorgehensweise.
Ein weiteres Problem ist die hohe Frauenquote bei den Ärzten und damit verbunden die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zwei Drittel der Studienanfänger sind inzwischen Frauen. Da junge Ärztinnen in der Regel aufgrund der Vereinbarkeit von Familie und Beruf mehr Wert auf geregelte Arbeitszeiten und Teilzeitmodelle legen, ist gerade für sie die hohe Arbeitsbelastung einer Hausarztpraxis im ländlichen Raum äußerst unattraktiv.
Diese Entwicklung ist geradezu paradox und gehört dringend grundlegend korrigiert. Das immer wieder geäußerte Argument, dass die Universitäten nun einmal frei seien und selbst über die Handhabung der Zugangsbeschränkungen entscheiden können, darf nicht gelten, wenn es um ein gesellschaftlich derart essentielles Thema wie die Gesundheitsversorgung geht.
Ich fordere Sie daher eindringlich auf, sich dieser Problematik anzunehmen und die Rahmenbedingungen für den Arztberuf grundlegend zu reformieren.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Fahmüller
Landrat