Die autonomen Busse werden im ländlichen Bad im neuen Jahr vorerst nicht mehr fahren. Der Fahrzeughersteller EasyMile hat allen Projektbeteiligten, dem Landkreis Rottal-Inn, dem Markt Bad Birnbach und der RBO GmbH als Linienbetreiber, mitgeteilt, dass sich EasyMile im Laufe des Jahres 2025 aus dem Bereich der Personenbeförderung komplett zurückziehen wird. Nach Aussage von Vertretern von EasyMile werden sie sich künftig auf die Logistik-Branche im Bereich von Flug- oder auch Schiffshäfen fokussieren. In einem weiteren Gespräch zwischen EasyMile und allen am Projektpartnern wurde besprochen, wie bzw. wie lange es mit dem Betrieb der autonomen Shuttles weitergehen kann. Leider stünden zuständige Mitarbeiter für Service und Support der Shuttles bei EasyMile, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt zur Verfügung.
Mit dieser Aussage war für alle Beteiligten klar, dass ohne den nötigen Support für die autonomen Shuttles ein reibungsloser und sicherer Betrieb künftig nicht mehr gewährleistet werden kann, weshalb den Projektpartner keine Alternative blieb, als den Betrieb der Shuttles zum 31.12.2024 einzustellen.
Für die Projektbeteiligten in Bad Birnbach heißt das, dass man nach neuen Wegen suchen muss. Die Konsequenz: Am 31. Dezember wird der Betrieb vorläufig eingestellt, der 2017 als Pilotprojekt die deutschlandweit ersten autonomen Fahrzeuge im Regelbetrieb des öffentlichen Nahverkehrs auf die Straßen brachte. Das Projekt startete vor sieben Jahren mit einem Fahrzeug innerhalb des Ortsgebiets, seit Oktober 2019 wurde der außerhalb liegende Bahnhof angebunden und damit die „letzte Meile“ geschlossen. Alle bisher gemachten Schritte haben Schlagzeilen gemacht, teilweise sogar weltweit. Besuchergruppen aus China waren hier, Kamerateams aus Südkorea und Japan. Noch viel wichtiger: Das Angebot wurde vor Ort sehr gut angenommen und die Rottalbahn konnte damit für Gäste und Einheimische ein gutes Stück attraktiver gemacht werden. Seit Mai 2022 kam das Projekt „HEAL“ dazu, ein Forschungsprojekt, an dem auch die Ludwig-Maximilians-Universität beteiligt war. Ab dann waren drei Fahrzeuge im Einsatz und es wurde zusätzlich zur Linie 7015, die Bahnhof und Ort verbindet, der On-Demand-Betrieb innerhalb Bad Birnbachs mit 20 digitalen Haltestellen angeboten.
Aufgrund rechtlicher Regelungen auf europäischer Ebene waren seit Beginn bis heute Begleiter, sogenannte Operatoren mit an Bord. Bei der Inbetriebnahme der ersten Fahrzeuge im Oktober 2017 war die Hoffnung, dass der Operator mit der Zeit entfallen könnte und die Kontrolle der autonomen Fahrzeuge über eine Leitstelle läuft. Doch die dafür notwendigen gesetzlichen Änderungen ließen lange auf sich warten. Die Rufe nach einer technischen Weiterentwicklung wurden ebenfalls laut. Statt wie bisher in Level 3 (also mit „Operator“) sollten die Shuttles im nächsten Schritt Level 4 (also überwacht aus einer Leitstelle) beherrschen und außerdem deutlich schneller fahren. Die Vorbereitungen dafür liefen bereits, und auch rechtlich hat sich etwas getan, zumindest innerhalb von Projekten. Die bisherigen Projektpartnern - neben dem Landkreis Rottal-Inn und dem Markt Bad Birnbach sind das die RBO, die DB Regio, die Ludwig-Maximilians-Universität - konnten zusätzlich das renommierte Fraunhofer-Institut für einen neuen Förderaufruf des Bundes gewinnen. Die Haushaltssperre, die in Berlin zwischenzeitlich verhängt wurde, stoppte diese Bemühungen vorerst.
Der Betrieb der Fahrzeuge würde dem Landkreis Rottal-Inn und dem Markt Bad Birnbach im Jahr ca. 342.000 € kosten. Ab Beginn des Projekts 2017 trug die Deutsche Bahn die Kosten des Betriebs, unterstützt durch Fördermittel des Freistaates Bayern für die notwendige Infrastruktur (Tieferlegung der Unterführung unter der B 388 und Kauf von Wechselverkehrszeichen). Ab Beginn des HEAL-Projekts im Mai 2022 erfolgte die Finanzierung rein aus Mitteln des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr. Allerdings nur bis zum Ende des Bewilligungszeitraums 30.06.2023 Alle Beteiligten haben sich um Anschlussförderungen bemüht, diese blieben jedoch aus. Für das nächste halbe Jahr trugen alle Kosten die Beteiligten Landkreis, Markt und RBO GmbH. Ab dem Jahr 2024 konnte man über Martin Wagle, MdL hierfür Fraktionsmittel erhalten. Diese Mittel wurden in Höhe von 526.500 € bereitgestellt und hätten einen Betrieb über 2024 hinaus sichergestellt.
Aussichtslos ist das Projekt aber keineswegs, auch darin sind sich die Partner einig. Die Finanzierung müsste hierfür neu angegangen werden, was Zeit in Anspruch nehmen wird, allein aufgrund der politischen Lage im fernen Berlin einig. Denn zuerst muss ein Bundeshaushalt stehen und ein neues Förderprogramm aufgerufen werden. Man hofft auf neue, zusätzliche Förderprojekte aus dem Bundesverkehrsministerium in den nächsten Monaten.
Für den Betrieb vor Ort bedeutet das aber in der Zwischenzeit einige Umstellungen. Der oft genutzte On-Demand-Betrieb auf der Linie 7016 kann vorerst ab 1. Januar 2025 nicht mehr weitergeführt werden. Damit kann man auch die App „Wohin Du willst“ nicht mehr für Buchungen in Anspruch nehmen. Der Linienbetrieb zwischen Bahnhof und Ort (Linie 7015), der ebenfalls Teil des Förderprojekts war, soll aber auf jeden Fall, allerdings nicht mehr mit einem autonomen Shuttle, aufrechterhalten werden. In einem ersten Schritt haben sich die Partner auf eine Verlängerung bis zum 31. März 2025 verständigt. Im Ziel, autonomes Fahren gerade für ländliche Bereiche zu erschließen, ist man sich weiterhin einig, wie Landrat Michael Fahmüller und Bürgermeisterin Dagmar Feicht in einer gemeinsamen Stellungnahme schreiben. Auch, wenn man nun durch den Ausstieg eines wichtigen Partners nach neuen Wegen suchen muss. Vorerst bleiben Zahlen, die nach wie vor ihresgleichen suchen: Von Oktober 2017 bis September 2024 wurden 123.163 Kilometer im autonomen Betrieb zurückgelegt. Dabei wurden 110.774 Personen sicher befördert, 12.646 davon im On-Demand-Betrieb, für den 24.321 Kilometer zurück.