Eine Karriere als Maler war für Hans Reiffenstuel keineswegs vorgezeichnet. Als junger Mann schrieb er sich zuerst für Jura ein, wechselte aber bald das Fach. Über ein Studium der Kunstgeschichte näherte er sich seiner wahren Leidenschaft. Er lernte bei Granden des Fachs in München (Heinrich Wölfflin), Wien (Max Dvořák) und Berlin (Adolph Goldschmidt).
Nachdem 1917 Max Dvořák Zeichnungen von Hans Reiffenstuel gesehen hatte, riet er ihm geradeheraus: „Hängen Sie die Kunstgeschichte getrost an den Nagel und werden Sie Maler.“
Heimat. Tempera auf Papier. 1925
In München und Stuttgart schulte Hans Reiffenstuel sein zeichnerisches Können. In der Münchner Kaulbachstraße eröffnete er 1918 sogar eine eigene Zeichenschule. Auch Erfolge in Münchner Galerien ließen nicht auf sich warten.
Doch dann zog es den Mittzwanziger von Schwabing aufs Land. Die Familie Reiffenstuel hatte bei Pfarrkirchen im Rottal einen Hof erworben und Hans ergriff die Chance, sich hier, in Obergaiching, mit einem professionell ausgestatteten Atelier einzurichten.
Holzstapel im Wald. Federzeichnung, Tusche, Aquarell, laviert
Die Veränderung von Umgebung und Rahmenbedingungen gab Anlass zu neuen Impulsen. Anders als im städtischen Umfeld waren etwa keine Modelle verfügbar. Reiffenstuel richtete nun sein künstlerisches Interesse auf die Durchdringung der Landschaft.
Besonders fällt auf, wie frei der Maler und Zeichner mit Materialien experimentiert, Techniken mischt, sich Motiven nähert, skizziert, notiert, seine Form findet.
Skizze Rottaler Land. Farbstift auf Papier.
Die 1920er Jahre waren (auch) für Hans Reiffenstuel wechselhaft. Die Finanzierung seines Stadt-Ateliers in München-Bogenhausen war gefährdet. Der Maler bereiste viele deutsche Städte, um seine Werke Sammlern und Museen zum Kauf anzubieten.
Trotz aller Hürden – Hans Reiffenstuel hinterließ aus dieser Periode mit seinen Rottaler Ansichten Bilder mit zeitloser Aussagekraft. Diese frühen Werke sind nun im Rahmen der Verbundausstellung „Landschaftsmalerei an Rott und Inn“ zu sehen.
Felsbrocken im Wald. Öl auf Leinwand. 1920
Text: Dr. Andrea Schilz
Quelle: Veit, Ludwig: Dokumente zu Leben und Werk des Malers und Graphikers Hans Reiffenstuel, geb. 1894. 4. Sonderausstellung des Archivs für Bildende Kunst der Reihe „Materialien – Dokumente zu Leben und Werk“. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, 15. April - 4. Juni 1978. Nürnberg 1978.