Marnier suchte und fand Eindrücke in Südfrankreich und trug seine künstlerischen Erfahrungen nach Ering, wo er sich mit der Landschaft am Inn auseinandersetzte. Die Ausstellung lädt dazu ein, Werke aus Marniers letzter Schaffensperiode zu entdecken. Hier können Sie schon mal einen digitalen Blick in die Ausstellung werfen
Bild rechts: Selbstportrait Marnier
Benedikt Marnier Landschaft, 1985
Er nannte sich Benedikt Marnier und wusste, was er wollte. Der promovierte Jurist gab mit 50 Jahren seinen Posten als Vorstandsvorsitzender auf, beschloss Maler zu werden und brach für mehrere Jahre in den mediterranen Süden auf. In Südfrankreich richtete Marnier seinen Blick auf das Nahe und konzentrierte sich autodidaktisch auf dessen künstlerische Durchdringung: Ländliche Landschaften und Vegetation, aber auch Menschen auf Straßen in Dörfern und Städten.
Zurück in Deutschland, ließ sich Marnier auf einem Hof bei Ering am Inn nieder. Dort übertrug er sein malerisches Potential, neben der Beschäftigung mit Figürlichem, auch auf Perspektiven der Landschaft an Rott und Inn. Markante Elemente beim Erfassen von Feldern, Wegen und Wäldern sind immer auch der Himmel und das Licht. Harte Schatten, diffuse Konturen, gedämpfte oder leuchtende Flächen: Die Tages- und Jahreszeiten sind bei Marnier integraler Teil der niederbayerischen Kulturlandschaft. Sein plötzlicher Tod 1886 beendete diese produktive Schaffenszeit.
Auffällig an Benedikt Marniers Werk sind das handwerkliche Können, der in kurzer Zeit selbst erlernte sichere Blick, der kompromisslos beschrittene Weg künstlerischer Verwirklichung und, nicht zuletzt, der sich postwendend einstellende Erfolg auf dem zeitgenössischen Kunstmarkt. Es scheint, als habe Marnier Soft Skills, die er als Topkraft in der Wirtschaft besaß – Durchsetzungsfähigkeit, Entscheidungsstärke, Visionär und Macher – auf seine Vorstellung von einem neuen Lebensweg und von seiner Kunst übertragen.
Die Familie des Künstlers stellt seit Jahren der Gemeinde Ering 13 Bilder als Leihgaben zur Verfügung, wo sie dauerhaft im Rathaus hängen. Die Bilder stammen aus dem Jahr 1985 und sind damit zugleich wertvolle Zeugnisse von Marniers letztem Wirken als Maler.
Benedikt Marnier ist ein Künstlername. Die Bedeutung, die der Sachverhalt mitunter birgt, dass sich Kunstschaffende Pseudonyme zulegen, unter denen sie schöpferisch arbeiten bzw. veröffentlichen, wird anhand dieses Malers beeindruckend anschaulich.
Der Mensch, der vor einer radikalen Zäsur zugunsten eines Lebens als Künstler nicht Benedikt Marnier hieß, wurde 1924 in Iprump geboren, heute ein an Bremen grenzender Stadtteil von Delmenhorst. Mit dreißig war er, inmitten der Wirtschaftswunderjahre, promovierter Jurist und startete eine Karriere in der Privatwirtschaft. Binnen zweier Jahrzehnte brachte er es zum Vorstandsvorsitz einer „AG-KG“.
„AG-KG“ – so betitelt Marnier in seiner Autobiographie „Relationen und Perspektiven: Ein Protokoll“ das Unternehmen, das er mitlenkte. Die „AG-KG“, sein altes berufliches Leben, ließ er 1974 hinter sich und brach neu auf: Ins autodidaktische Malen, in eine Tätigkeit als freischaffender Künstler und, physisch, in den Süden Europas, insbesondere in die Provence. Vier Jahre arbeitete Marnier in Südfrankreich (Camargue, Var, Lubéron, Provence) und in Rhöndorf am Rhein.
Während der hoch inspirierenden, sehr kreativen Zeit in Südfrankreich gab sich der Künstler selbst den Namen Benedikt Marnier. In „Benedikt“ steckt sprachlich der „Segen“, in „Marnier“, cum grano salis, der „Geist“; der Nachname rekurriert auf die bekannte Marke für Curaçao-Liköre.
Marnier, für den Bildtitel im Übrigen keine große Rolle spielten, stellte schon ab 1974 in Einzelausstellungen aus, war an Gruppenausstellungen beteiligt und wurde bis 1979 durch die Galerie Boisserée (Köln) vertreten. Ab 1976 kam die EP Galerie M. Edt. Podzus (Düsseldorf) hinzu, ab 1978 das Kunstkabinett Hanna Bekker vom Rath, (Frankfurt am Main), ab 1979 Baukunst Irene Gerling (Köln).
1980 ließ sich Benedikt Marnier auf einem Vierseithof in Ering am Inn nieder. Die folgenden Jahre in Niederbayern sollten sein letzter Lebensabschnitt sein: Mit 62 Jahren starb er am 13. März 1986 bei einem Ausflug in den Alpen einen plötzlichen Herztod.
Texte: Dr. Andrea Schilz
Quellen:
Bild links: Pfarrkirche in Ering am Inn - 1984